Die perfekte Vita
Also, jetzt erstmal alle Fakten in Stichpunkten:
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So... das muss alles irgendwie hierhin, denk ich.
Also, mein Lebenslauf. Aber nur die wahren Highlights dürfen da rein. Die künstlerischen, meine ich. Da kann ich ja zum Glück schön aussieben, nach all den Jahren. Aber erst mal die harten Fakten. Die müssen ja rein. Also geboren in Frankfurt am Main. Ist okay eigentlich. Obwohl - hier geboren, im Speckgürtel aufgewachsen und jetzt immer noch hier? Das ist ne ziemlich enge Spirale, vom Glamourfaktor aus gesehen. Aber vielleicht ist es sogar besser im Suburb aufgewachsen zu sein, als in der Großstadt. Also die wirklichen Stars kommen in der Regel ja alle aus dem mittleren Westen. Richtig aus der Pampa. Marlon Brando zum Beispiel. Der hat früher zwar immer kolportiert er sei in Asien aufgewachsen und sein Vater wäre Linguist in Bangkok gewesen. Stimmt aber gar nicht, denn sein Vater war Vertreter für Viehfutter. Und gelebt hat er wie gesagt in einem 2000 Seelennest im Mittleren Westen. Ganz viele kommen aus der Gegend: Bob Dylan, Hemingway, James Dean. Mir ist auch aufgefallen, dass ganz viele Kulturschaffende. die jetzt in Frankfurt wirken, ursprünglich aus dem Rodgau kommen. Rodgau! Daran sieht man’s nämlich, auf dem Land ist nichts los und schon wird man kreativ. Soll aber nicht so rüberkommen als wäre ich zwischendurch niemals woanders gewesen. Ich war ja auch immer mal wo. Ein paar Monate am Bodensee z.B. Freilichtspiele auf der Insel Reichenau. Da hab ich mir sogar noch Kritiken aufgehoben. In einer haben die zwar meinen Namen falsch geschrieben, aber „hey“: Melanie Hepps ... aber immerhin als ‚begehrenswerte und charmante Gärtnerstochter‘ beschrieben. Hab ich mir auch extra angestrichen. Die hier ist meine Lieblingskritik. Die ist von 1989 aus dem Darmstädter Echo. Da haben wir bei einer Geburtstagfeier einer Darmstädter Künstlerin Sachen aus der Rocky Horror Picture Show performed: „Die pikantesten Teile gab’s als Live-Konzert. Sänger S. Haupt (21) schlüpfte in Schlüpfer und die Rolle des transsylvanischen Transvestiten Frank’n’Furter. Seine Gesangspartnerin Melina Hepp (22). Die Grundschulpädagogin zeigte, dass sie auch Kapitel aus dem Lehrbuch erotischer Dekadenz beherrscht.“ Nett geschrieben, jedenfalls. Ja, das hab ich mal kurz studiert, Grundschullehramt. Oh, mein Gott. Aber Studienabbrecher ist ein guter Punkt in einer Künstlervita. Das klingt nach rebellischem Geist. Das kann man ruhig erwähnen. finde ich. Mal sehen Geburtsjahr, na ja egal...drittes Drittel des letzten Jahrtausends. Schreiben die meisten Frauen eh nicht hin. Wenn nix dasteht, wissen sowieso alle dass man mal mindestens über 40 ist. Jetzt noch irgendwas zu den Wurzeln. Na, da hab ich ja was vorzuweisen: Künstlerfamilie. Kommt gut. Mutter Pianistin, Vater Klarinettist, Bruder Schlagzeuger. 10 Jahre Klavier gespielt, habe ich. Durch sowas kriegt man Vorschusslorbeeren. By the way, Barbara Schöneberger hat ja den exakt gleichen Lebenslauf wie ich, hab ich letztens mal festgestellt. Also nicht, dass sie die ultimative Künstlerin wäre. Aber die hat’s geschafft. Gerade neulich gab’s von ihr in irgend einer Zeitung die Überschrift. ‚Ich habe alles erreicht!’ Puh, irgendwie wird einem da auch schlecht, oder? Also gut, Vater Soloklarinettist im Sinfonieorchester. Der Vater von Barbara Schöneberger war auch Soloklarinettist. Und Klavier hat sie auch nicht gerne gespielt, hab ich mal gelesen. Ich glaub die hat ihr Studium auch nicht zu Ende gemacht. Also man muss mindestens mal sein Studium abgebrochen haben, um ein Star zu werden. Hab ich ja. Also eins von beiden immerhin. Das andere hab ich dann blöderweise fertig gemacht. Ah, aber Migrationshintergrund kommt gut. Deutsch-griechische Wurzeln. Mix der Kulturen. Es gibt ja auch berühmte Griechen der Neuzeit - nicht nur die aus der Antike, wie Sophokles und... wie hieß der in der Tonne noch mal? - nämlich John Cassavetes. Oder George Michael. Der ist sogar Halbgrieche. Alles wie bei mir. Obwohl, eigentlich müsste man noch ein bisschen jüdisch sein. Das ist der Garant für künstlerischen Erfolg. Die wahren Künstler sind alle Juden. Paul Simon, Barry Manilow ist auch Jude, hab ich jetzt gerade festgestellt. Alle mit denen ich mich befasse. Amy Winehouse, Woody Allen. Bob Dylan heißt eigentlich Robert Zimmermann. Aber der ist ja jetzt seit einer Weile Christ. Cat Stevens dagegen war ja erst Grieche und ist dann zum Islam gewechselt, hm... Also, früher hab ich mir über religiöse Zuordnungen keine Gedanken gemacht. Erst als eine Freundin meiner Eltern immer darauf hingewiesen hat, dass der oder der prominente Künstler ja Jude is. Ich hab das nie kapiert, hab gedacht, wieso sagt die das denn? Ist doch total egal. Die dachte auch die Beatles seien Juden, nur weil die sich den Megaerfolg nicht anders erklären konnte – Und dazu dann noch die Nase von John Lennon, das war’s dann wahrscheinlich. Oder man muss extrem unglücklich sein, um ein Star zu werden. Das könnte der Schlüssel sein. Wer ein nettes Leben hatte, vor allem als Kind, dem ist nur Mittelmäßigkeit beschieden. Ein großes Plus, wenn man im Leben weiterkommen will ist sicher Armut, Entwurzelung, Heimatlosigkeit, Vereinsamung in der Kindheit, Gefühlskälte der Eltern, so was alles. Hm, ich muss Psychosen finden oder Katastrophen. Das ist wirklich nicht leicht… Hah! Ich hatte ziemlich schlimme Pickel bis ich 16 oder 17 war. Da hab ich echt drunter gelitten. Wenn einer geklingelt hat, vor allem die Jungs, hab ich mich erst mal eine halbe Stunde im Bad verschanzt und dick Korrekturcreme verteilt auf meinem Gesicht. Überhaupt hab ich in der Zeit sehr viel Zeit vor dem Spiegel verbracht. Vielleicht ist das was? Und Katastrophen... gar nichts. Das könnte ein Problem sein. Alle großen Stars haben entweder einen an der Klatsche oder eine armselige Kindheit. Romy Schneider war Kinderstar, Marilyn Monroe hatte keine Eltern und wurde ständig woanders hingegeben, Jack Nicholsons Schwester war eigentlich seine Mutter... oder umgekehrt? Nee, echt jetzt. |